Alfred von Meysenbug

Alfred von Meysenbug (links) und Natias Neutert bei einem Stadtteilfest in Hamburg-Winterhude, 1977

Alfred von Meysenbug (* 1. Januar 1940 in Gießmannsdorf, Niederschlesien; † 19. Februar 2020 in Hamburg[1]; bürgerl. Karl Alfred Freiherr Rivalier von Meysenbug) war ein deutscher Pop-Art-Künstler und Comiczeichner der 68er-Generation.

Leben und Werk

Meysenbug wuchs in Hannover auf. Er studierte Soziologie und Philosophie bei Adorno und war dann Buchillustrator und Werbegrafiker in Frankfurt am Main. Von Meysenburg stammt auch ein seltsames Zeitdokument, die Momentaufnahme der drei barbusigen Adorno-Attentäterinnen vom 22. April 1969 in der Frankfurter Universität. Meysenbug untersagte später den Gebrauch dieser historischen Aufnahme.[2] 1978 gestaltete Meysenbug die Schallplattenhülle für Udo Lindenbergs von Peter Zadek inszenierte Rock Revue. Er war darüber hinaus bei vielen CDs Lindenbergs Text- und Kunstberater.

In seinen frühen Comics Super-Mädchen und Glamour-Girl arbeitete er im linearen Pop-Art-Stil Roy Lichtensteins.[3] Die Zeichnungen stehen dabei stets in einem bewussten Spannungsverhältnis zur Sprache und der Narration, die auf emanzipatorische Bewusstwerdung abzielt. So merkte der Kunstkritiker Bazon Brock zu den Comics Super-Mädchen und Glamour-Girl an, Meysenbug wolle damit „die Usurpation des Comic vom Zeitvertreib zur Zeitbestimmung erreichen. Der kommentierende Text beschreibt die Verlaufsformen heutiger Sozialisationsversuche. Super-Mädchen ist Verkäuferin, die langsam begreift, daß sie dabei immer nur sich selber verkauft. Deshalb gibt sie der Wahrheit die Ehre und geht auf die Straße. Glamour Girl liegt und lebt auf der Straße, bis sie begreift, daß nur der politische Zusammenschluß mit anderen ein Organisationsprinzip ihres Lebens sein kann. Als Verkäuferin ist man Hure, aber als Hure hat man die Chance, sich seiner Lage bewußt zu werden.“[4]

In welcher Stilart der Künstler auch jeweils arbeitete, es geschah in jedem Fall nach von ihm selbst inszenierten Fotografien von guten Freunden und Bekannten. So stand für die Figur der Jolly Boom aus seinem Comic Super-Mädchen: Das Ende der Verkäuferin Jolly Boom die Szene-Schauspielerin Carla Aulaulu[5] Modell. In andere Rollen seines Figurenarsenals schlüpften auch Freunde wie Bernd Brummbär[6] oder Natias Neutert.

Meysenbug illustrierte das wirkungsmächtige Sexualaufklärungsbuch Sexfront von Günter Amendt, das seit 1970 in mehreren Auflagen mehr als 500.000 Mal verkauft wurde.

Zu Meysenbugs Œuvre gehören mehrere Werke, die sich an literarische Klassiker anlehnen, wie Der glückliche Prinz von Oscar Wilde oder das von Charles Perrault 1697 veröffentlichte Kunstmärchen Der kleine Däumling. Für seinen 1991 veröffentlichten Comic Däumling wurde Meysenbug 1992 mit dem Rattenfänger-Literaturpreis der Stadt Hameln ausgezeichnet.[7]

Werke (Auswahl)

  • Petting: Comic-Essay, in: Peng, Nr. 3. Hans-Peter Ernst (Hrsg.)[8] Nachdruck in: Margret Kosel: Gammler, Beatniks, Provos, Bärmeier & Nikel, Frankfurt, 1967, S. 170–173.
  • Jürgen Allweiler, A. v. Meysenbug, Volker Erbes: Meuterei gegen die Schule. Ring Publications Gerold Dommermuth, Frankfurter Ringfibel, Nr. 15, Frankfurt 1969. Durchmesser 60 mm, 88 S.
  • A. v. Meysenbug (Graphiker), P. G. Hübsch (Texter): Mini-Faust. Ring Publications Gerold Dommermuth, Frankfurter Ringfibel Nr. 13, Frankfurt 1968. Durchmesser ca. 75 mm (?), 48 Blatt, 96 S., 1968.[9]
  • Super-Mädchen. Das Ende der Verkäuferin Jolly Boom. Comic-Strip (Streit-Zeit-Bilder 1), Herausgeber Horst Bingen, Heinrich-Heine Verlag, 1968. 4°; 33 Blatt, 64 S. ISBN 978-3-631-36599-1[10]
  • Glamour-Girl: Glamourös getextet und gezeichnet von Alfred von Meysenbug. Comic Strip. In der Reihe Streit-Zeit-Bücher, Nr. 2, Heinrich-Heine Verlag, Frankfurt 1968. 8°; 48 Blatt, 96 S.
  • Alfred Demarc (d. i. A. v. Meysenbug): Lucys Lustbuch, März, Frankfurt 1971.[11]
  • Der glückliche Prinz. Text von Oscar Wilde, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1972.
  • Supermädchen und andere Comics aus den letzten Tagen des großen Boom, Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1975. Vorwort von Günter Amendt: Künstler in der antiautoritären Bewegung
  • Udo Lindenberg: Lindenbergs Rock Revue, LP, Telefunken Decca, 1978. Cover und beigelegter Comic, 8 S.
  • Däumling, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1991.

Auszeichnung

Literatur

  • Bazon Brock: Bücher zum Anfassen. Alfred von Meysenbugs Comic-Strips in: Ästhetik als Vermittlung (Hrsg. von Karla Fohrbeck), 1. Aufl. DuMont, Köln 1977, S. 866 ff. ISBN 3 -7701-0671-7 Online unter: http://www.bazonbrock.de/werke/detail/?id=667&sectid=1056&highlight=Meysenbug#sect
  • Bernd Dolle-Weinkauff: Pop, Protest und Politik: Die Comics der 68er. in: Forschung Frankfurt Heft 2, 2008, S. 38–45 ([1] als PDF).
  • Helmut Kronthaler: Porno, Pop, Politik: Alfred von Meysenbug als Comic-Revolutionär. In: Eckart Sackmann (Hrsg.): Deutsche Comicforschung 2009. Comicplus, Hildesheim 2008, S. 118–125. ISBN 978-3-89474-190-7,
  • Astrid Proll: Hans und Grete: Bilder der RAF 1967–1977. Aufbau Verlag, Berlin 2004.
  • ComicKonsum 68 über eine Veranstaltung zu den „Comics Alfred von Meysenbugs Super-Mädchen 1968 und heute“
  • Website der Stadt Hameln mit den bisherigen Preisträgern des Rattenfänger-Literaturpreises, darunter Alfred von Meysenbug.
  • Alfred von Meysenbug bei Deutscher Comic Guide

Anmerkungen

  1. Todesmeldung abgerufen am 14. März 2020
  2. Tanja Stelzer: Die Zumutung des Fleisches - Tagesspiegel vom 7. Dezember 2003. In: Tagesspiegel. 7. Dezember 2003 (archive.org). 
  3. Dokumentation der Titelseiten der Comics Super Mädchen und Glamor Girl (Memento vom 8. September 2009 im Internet Archive)
  4. Bazon Brock: Bücher zum Anfassen. Alfred von Meysenbugs ComicStrips' (Glamor-Girl und Supermädchen), in: Frankfurter Rundschau vom 18. September 1969. Online unter: http://www.bazonbrock.de/werke/detail/?id=667&sectid=1056&highlight=Meysenbug#sect
  5. D. i. Carla Egerer Carla Egerer bei IMDb. Sie war der Star in Rosa von Praunheims ersten Filmen, drehte später mit Werner Schroeter, mit Rainer Werner Fassbinder und spielte neben Praunheim die Hauptrolle in Oh Muvie, einem Fotoroman ohne Worte der Fotografin Elfi Mikesch. (Oh Muvie erschien 1969 als Streit-Zeit-Buch Nr. 5, im Heinrich-Heine Verlag).
  6. Frankfurter Underground-Verleger und Künstler.
  7. Website der Stadt Hameln mit den bisherigen Preisträgern des Rattenfänger-Literaturpreises Archivierte Kopie (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive)
  8. Meysenbug zeichnete seit 1963 für die Peng (B. Dolle-Weinkauf), später für die Studentenzeitschrift Diskus. Tilman Fichter, Siegward Lönnendonker (Kleine Geschichte des SDS, Rotbuch, Berlin, 1977, S. 109) erinnern sich an seinen Comic-Kommentar zum Dutschke Attentat: Das Ganze ist ein sagenhafter Vorgang DAS GANZE IST GANZ EINFACH ZUM KOTZEN.
  9. Mit einem Text des Diskus-Herausgebers David H. Wittenberg: Hot Dog. Abbildung des Buch-Objekts bei Kronthaler.
  10. Es gab noch mindestens ein weiteres Streit-Zeit-Bilder-Buch, nämlich Karel Nepras: Puppenbusen (Zeichnungen). 1968/69 gab der Heinrich-Heine Verlag die Streit-Zeit-Schrift und Streit-Zeit-Bücher heraus.
  11. Verboten. Laut Schröder angeblich 10.000 beschlagnahmte Exemplare vernichtet. Fac-similiert in fünfundzwanzig Fortsetzungen auf Schröder & Kalender, dem taz-blog des ehemaligen März Verlegers Jörg Schröder, 7. Dezember 2006–4. Mai 2007
Normdaten (Person): GND: 108399427 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 54688552 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Meysenbug, Alfred von
ALTERNATIVNAMEN Meysenbug, Karl Alfred von (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Comiczeichner und Werbegrafiker
GEBURTSDATUM 1. Januar 1940
GEBURTSORT Gießmannsdorf, Niederschlesien
STERBEDATUM 19. Februar 2020
STERBEORT Hamburg